Montag, 18. November 2013

Club-Test Episode 3: Vanity, Köln



„Hör' auf dich anzulehnen!“
Zugetragen: November 2013 – Geschrieben: November 2013 von Miller

Es gibt Abende, die völlig entspannt, reibungslos und erholsam verlaufen. Und es gibt solche Abende:
Wir - das sind Search, Drum'n'Bass, mein Cousin Massimo, dessen Freundin Sweet Angel, meine Freundin Lil Angel und noch eine gemeinsame Freundin von uns - trafen uns bei mir in Köln zum Vortrinken und um Sweet Angels Geburtstag nachzufeiern. Der Früh-Abend beginnt mit heiterem House, Trap und 80s-Italo-Disco-Mucke.
Wenn der Abend einen Soundtrack hätte, wäre es folgendes Lied - in Dauerschleife:
Ich höre es sogar jetzt beim Schreiben, um mich wieder in den Abend reinzugrooven.
Während die Bassline und die Laser-Toms vor sich hinpurzeln, versuche ich nun das Puzzle an Ereignissen zu einer zusammenhängenden Story zu verknödeln.

Vortrinken: Wir haben nur noch knapp zwei Stunden bis zum Aufbruch, also entscheiden wir uns wieder Kings/Zirkeln zu zocken. Die König-Karte hat dabei die pikanteste Funktion. Die ersten drei gezogenen Könige erlauben es dem Ziehenden, jede erdenkliche, genießbare Flüssigkeit in ein großes Glas in der Mitte zu kippen. Die arme Sau, die den letzten König zieht muss dann diesen Hexentrank zu sich nehmen. Halleluja. Lil Angel zieht den ersten König und kommt aus der Küche wieder mit ... EINER TÜTE SCHLAGSAHNE. Kipp, kipp, kipp. Der zweite König geht an Search. Nach Durchforsten meines Alkohol-Sortiments entscheidet er sich für Amaretto. Kipp, kipp, kipp. Es scheint hier ein interessanter Cocktail zu entstehen und die Milch beginnt langsam kleine Klümpchen auf der Oberfläche zu werfen. Der dritte und vorletzte König geht wieder an Lil Angel - das gibt's doch nicht. Dieses Mal entscheidet sie sich für frischgepressten Blut-Orangen-Saft von Aldi. Kipp, kipp, kipp. Nun ist klar, der, der den letzten König zieht darf diese hellrote Blärpe, die ausschaut als hätte man eine Petrischale zu lange stehen gelassen, verzehren. Die Karten werden immer weniger und schließlich trifft es Massimo, der bei einer 1 zu 4 Chance den letzten König zieht. Er kippt die Galle auf ex den Rachen runter als wäre es der Zaubertrank von Miraculix. Ich glaube ab jetzt kann Massimo rückwärts sprechen und im Dunkeln leuchten. Phantastisch.
Nach dieser Runde Zirkeln ist aber auch Schluss und wir machen uns bereit für den Abflug.
Reisedaten: Vanity, vernebelt, Dauer unbekannt.

Einlass Vanity:
Wir spazieren mit der gesamten Sippe die Strecke vom Friesenplatz zum Vanity. Auf dem Weg verweise ich auf die Klapsmühle rechts von uns wie ein gescheiter Reiseführer das so macht: "Wenn wir nicht in's Vanity reinkommen, gehen wa da hin". "Als ob wir nicht reinkommen", erwidert Search erneut und er hat Recht. Warum auch nicht? In all den Jahren als Search und ich gemeinsam feiern waren, sind wir IMMER und ÜBERALL reingekommen. Naturgesetz, wie die Gravitation.
Wir erscheinen schließlich am Vanity und es gibt keine Schlange, was schon 'mal gut ist. Jedoch gibt es zwei Einlässe und ich entscheide mich prompt für den falschen. "Stehst du auf der Gästeliste?", fragt mich die Türdame. "Uh-Uh", verneine ich und gucke wie ein Auto. Lil Angel zieht mich schließlich zu ihr auf die richtige Seite. Sonst gibt es keine Komplikationen und die gesamte Gruppe flutscht an den Türstehern vorbei wie Scheiße durch eine Gans. Search sollte Recht behalten, die Gravitaion hat wieder 'mal funktioniert. Auffällig ist jetzt schon, dass Frauen weniger Eintritt zahlen und weniger Mindestverzehr haben. Keine Ahnung, ob Ladies Night ist oder so ein Quatsch aber ich fühle mich diskriminiert. Im Nachhinein betrachtet: zu Unrecht. Ich habe noch nie ein so ausgewogenes und gutes Publikum in einem Club gesehen. Chapeau, Türsteher des Vanitys! Hut ab, das geht gut ab!

Drinnen dann der erste Dämpfer: Tote Hose; und dabei ist es schon kurz nach 0 Uhr. Der Dancefloor gähnend leer und die paar Leute, die da sind haben sich solide an der Bar festgesetzt und gucken Richtung Tanzfläche in der Hoffnung das irgendwas passiert. Massimo ergreift flugs das Zepter und präsentiert einige frische Shuffle-Moves auf der ansonsten leeren Fläche. Ich stoße dazu, obwohl ich kein annähernd so guter Shuffler bin wie er. Der Boden aber ist sensationell und nicht so verklebt und verrotzt wie üblicher Weise in anderen Diskotheken. Dieser hier ist so geschmeidig, als würde man auf Baby-Dalmatinern tanzen; extrem Shuffle-freundlich. Es hat nur noch ein Spot-Light auf uns gefehlt.
Massimo, Sweet Angel und Miller

Nichtsdestotrotz müssen weitere 45 Minuten vergehen, bis sich der Club allmählich füllt. Plötzlich sind wir umgarnt von Menschenmassen. Gut aussehenden Menschenmassen. Un. Vor. Stellbar. Ich habe noch nie eine solch gute Frau-Mann-Ratio gesehen. Und das bei dieser unübertroffenen Qualität. Hier gab's nicht eine einzige Frau, die auf einer 10er-Skale unter 7 landen würde. MÄRCHENHAFT! Ich habe mich immer gefragt, wo die geilen Weiber in der Klapsmühle sind ... HIER, sind die also alle. Wie konnte ich diesen Club nur so lange nicht auf dem Radar haben? Ich war blind, doch nun kann ich sehen.
Mittlerweile brodelt die Stimmung über. Die Musik wird immer besser. Zunächst kommt der RL Grime & Salva Remix von Kanye West's  Mercy, danach sogar der A-Trak Remix von Heads Will Roll. Tanzbein, was willst du mehr? Wir schweifen umher wie kleine Glücksbärchis auf Opium. Massimo stürmt derweil durch den Club wie Taz der tasmanische Täufel. Sweet Angel wird's zwischenzeitlich zu bunt und sie nimmt sich einige Auszeiten an der Theke und bei den anderen Mädels, die inzwischen eine kleine Traube gebildet haben. Wir Jungs hingegen sind örtlich ungebunden und quasi omnipräsent. Wir stehen auf einer Art Podium, von dem wir den ganzen Club aus überschauen können. Einige Dudes machen von unten aus Peace- und Daumen-Hoch-Symbole. Wo sind wir und warum sind hier alle so freundlich? Geil, geil, geil.
Massimo will mir irgendwas sagen aber die Musik ist so laut, man muss sich eigentlich auf Lippenlesen beschränken. Ich geh mit meinem Ohr ein Stückchen näher zu ihm hin und er BRÜLLT MIR AUS VOLLEM HALSE "Geilee Muckeee!" direkt in's Hirn. Ich glaube meine Augäpfel sind beinah geplatzt und ich habe ein Pfeiffen auf den Ohren als wäre neben mir eine Handgranate explodiert. Danke, Massimo, von nun an kann ich keine Musik mehr bewerten.
Inzwischen haben wir Drum'n'Bass zum Bürgermeister dieses Clubs ernannt. Ein Begriff, den Jerry geprägt hat und der reserviert ist für den, der im edelsten Gewand daherkommt. Völlig inspiriert von seiner neuen Rolle als Mann des Volkes, macht Drum'n'Bass das, was jeder Mensch in seiner Position tun würde: er strebt nach mehr Macht. Schnellen Schrittes marschiert er in Richtung VIP-Einlass und geht mit einer völligen Selbstverständlichkeit einfach am Türsteher vorbei. Der Türsteher macht Platz: "Der Herr...". Ich versuche das gleiche aber der Türsteher stellt sich mir in den Weg: "Ey!". Ich zeige auf Drum'n'Bass und versichere ihm, dass er mein Kumpel ist. Der Türsteher erwidert: "Der hat eine Zugangsberechtigung. Du nicht!". Aha, Zugangsberechtigung. Alles klar. Scheiß Bürgermeister.
Fuck you, VIP-Bereich

Ich lauf wieder zurück zum gemeinen Pöbel und beobachte wie sich Drum'n'Bass in der VIP-Ecke auf einer Couch ausbreitet wie Cäsar. Es fehlen nur noch Vasallen, die ihm mit Palmenwedeln Wind zufächern und ihn mit Trauben füttern. Dann kommt ein Mädel auf ihn zu. Zunächst glaube ich, dass sie ein Autogramm haben will oder so aber dann wird deutlich, dass die Scharade aufgeflogen ist. Im Nachhinein gab Drum'n'Bass ihren Wortlaut wieder: "Würdest du dich bitte wieder entfernen?".
Zeit für Toilette. Wir gehen wie Mädels geschlossen in die Keramikabteilung und stellen fest: Das hier sind die edelsten Klos, die jemals von einem Partygast besudelt werden durften. Dunkle Schieferplatten als Fliesen und eine Sauberkeit wie in einer Fertigungshalle für Silizium-Computer-Chips. Die einzelnen Kabinen hatten sogar Namen (siehe unteres Bild). Sensationell. So kann man eine engere Beziehung zu seiner Toilette aufbauen und der Klogang wird zu einer kleinen persönlichen Erfahrung.
"He Leute, ich war grad auf ONALDO kacken"
Draussen warten Sweet Angel und ich auf die anderen, die noch nicht fertig sind mit Pullern. Massimo kommt raus und freut sich uns zu sehen. Er schüttelt mich kräftig durch und ich baller gegen ein Regal, was hinter mir steht. Das Ding ist kurz vorm Kollaps und eine Kassiererin hat mich als Schuldigen ausgemacht: "EY DU! HÖR' AUF DICH ANZULEHNEN!!!", mault sie mir entgegen. Anlehnen. Genau. Alle schauen mich angewidert an als wäre ich der Antichrist höchstpersönlich und Massimo lacht sich beherzt kaputt. Es wird klar, wir sind hier die Asis und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir "uns entfernen" dürfen.
Wieder zurück auf dem Dancefloor erblicke ich wie Drum'n'Bass plötzlich eine riesige 1,5-Liter-Pulle Malibu hervorhebt: "Guck ma', Geil wa!". Da noch der Ausgießer-Pinnöppel oben in der Flasche steckt, weiß ich, dass er die Flasche wohl nicht käuflich erworben hat. Kichernd nehmen wir unauffällig ein paar Schlücke direkt aus der Flasche. Massimo stößt hinzu und es scheint ihm nicht schnell genug zu gehen. Er greift sich zwei große Gläser à la Selbstbedienung von der Bar und macht sie randvoll mit Malibu. Das entgeht auch dem Barkeeper nicht, der plötzlich seine Malibu-Flasche zu vermissen scheint. Dann, anstatt wütend zu werden, macht er einen traurigen Gesichtsausdruck und sagt mit bekümmerter Stimme: "Och, Jungs ey, ehrlich?!". Wie ein enttäuschter Vater, der grade seinen Sohn zum ersten Mal beim Kiffen erwischt hat, schaut er uns an und schüttelt niedergeschlagen den Kopf. Wir fühlen uns sogar etwas mies deswegen. Es tut uns Leid, Papa. Kommt nicht wieder vor.
Zu spät - kurz darauf kommt ein viel zu kleiner Türsteher auf mich zu und ist mächtig angepisst. "Wer hat die Flasche geklaut?", motzt er mich an. "HÄ?!", frage ich und deute die angeblich zu laute Musik an. "WER. VON. EUCH. WAR. DAS?", brüllt er und betont dabei jedes einzelne Wort als würde er jeden Moment explodieren. "WAAAS?!", rufe ich und zeige auf meine Ohren, denn schließlich ist es immernoch sehr laut. Der Türsteher ist kurz davor mir den Stiefel in die Zähne zu schmettern also komme ich ihm entgegen und schleife ihn mit in Richtung Toiletten, wo es leiser ist. Zum dritten Mal wiederholt er sich und fragt mich, wer das gewesen ist mit der Pulle. "Achsooooo", meine ich; "Jetzt versteh' ich dich". Ich überlege kurz wie ich nun verfahren soll. Aufgrund der Tatsache, dass der Club mega geil ist und ich gerne nochmal wiederkommen würde, entscheide ich mich einsichtig zu sein und zu kooperieren. "Ich weiß, wen du meinst. Pass auf, ich sammle alle ein und wir verschwinden. Keinen Stress, OK?", der Türsteher scheint damit zufrieden zu sein und nickt. Ich lese jeden Einzelnen auf und wir "entfernen uns".
Darauf hin haben alle Kohldampf und wir suchen McDonalds auf. Drinnen sitzen Drum'n'Bass, Massimo und ich an einem Tisch. Die anderen haben genug Sicherheitsabstand, um nicht mit uns in Verbindung gebracht zu werden. Plötzlich beginnt Massimo damit, sich lautstark über die Konsistenz des CheeseBurgers aufzuregen. Dabei flatscht er den angeknabberten Burger immer wieder mit Wucht auf das Tablett. "WASSS ISS DAS HIAAA?!", klatsch, "So ein Dreck!", klatsch, "HAHAHAHA", klatsch. Schließlich, 15 Minuten nachdem wir mehr oder weniger aus dem Vanity geflogen sind, kommt ein McDonalds-Mitarbeiter und droht uns auch hier rauszuschmeissen, sollten wir nicht langsam aufhören mit unserem "unmöglichen Benehmen". Aus einem McDonalds rausfliegen, das wollte nun wirklich keiner von uns also versichern wir, dass wir ab jetzt artig sind und kichern dabei wie 7.-Klässlerinnen. Wir fliegen nicht raus, stehen aber ab jetzt unter Beobachtung. Ronald McDonald is wachting you.
Draußen einigen wir uns darauf, mit zwei Taxen nach Hause zu fahren. Unsere Taxifahrerin fragt uns drei mal ehrfürchtig, ob wir denn wirklich nach Nippes wollen als müssten wir durch den Jurassic Park. Ja, wirklich nach Nippes.
Bei mir angekommen machen die Krawallbrüder Drum'n'Bass und Massimo noch einige schöne Oben-Ohne-Fotos wie in Top-Gun und Search besteht in guter alter Bundeswehr-Manier darauf, in einem Schlafsack auf dem Boden zu pennen. Ich für meinen Teil bin durch und schmeiß mich völlig erschöpft in die Federn. Gute Nacht.