Montag, 4. November 2013

Club-Test Episode 1: Klapsmühle, Köln




„Der Name ist Programm“
Zugetragen: Oktober 2013 – Geschrieben: November 2013 von Miller

Es ist Halloween und anders als sonst haben wir beschlossen, uns dieses Jahr zu verkleiden. Allerdings nicht wie so viele andere als Vampir oder Zombie (die meisten mit lieblosem Makeup und paar Ketchup-Spritzern im G'sicht), sondern mit den bereits Karneval-erprobten Power-Ranger-Morphsuits.
Rückblick: Paar Monate zuvor gewannen D-Dave (schwarzer Ranger), Long-Dong (roter Ranger) und ich (blauer Ranger) schon die Herzen der Menschen, während eines Freudentaumels quer durch Köln. Dieses Mal, beflügelt und angeködert von unseren Karneval-Stories, sollte es noch dicker kommen. Jerry und Fabolous joinen dem Team als pinker und grüner Ranger. Ganz Recht, Jerry ging als pinker Ranger. Mitsamt authentischem Miniröckchen, was sich noch als genialer Schachzug entpuppen sollte.
Wir trafen uns bei mir in Köln zum Vorpichern und Einstudieren der Posen. Im Laufe der Woche skizzierte ich einige Formationen, während der Arbeitszeit. Darunter „Zelda“, „der Hecht“ oder „Tower of Love“, welcher auf dem Foto hier drunter zu bestaunen ist.

Nach einigen Whisky-C-Mischungen bzw. Jägermeistern (auf Long-Dongs und meiner Seite), verlässt das Schlachtschiff um ca. 8 Uhr den Hafen, um in die raue See der Kölner Innenstadt zu stechen. Obwohl noch nicht ganz eingegrooved, laufen wir jetzt schon rum wie die Baha Men in „Who Let The Dogs Out“. Wir stoßen auf einen wilden Einkaufswagen. Dieser schien vakant zu sein also setze ich mich hinein und Fabolous schiebt mich vor sich her wie eine Mutter ihren 4-Jährigen Nachwuchs durch Edeka.
So rasend schnell, dass die Kamera nicht hinterkommt

Anschließend bringt D-Dave den Einkaufswagen wie ein anständiger Bürger wieder zum Ursprungsort zurück und er hat Recht damit. Als Ranger hat man eine gewisse Verantwortung gegenüber dem gemeinen Bürger. „With great power comes great responsibility“, sagte schon einst Mr. Miyagi zu Karate Kid.
Angekommen an der S-Bahn Haltestelle Nippes beginnt nun endlich die glorreiche Abenteuerreise der Power Rangers. In der S-Bahn macht der ohnehin schon kantige D-Dave noch ein paar Klimmzüge, um schnell noch einen kleinen Disko-Pump-Effekt zu erhaschen. Auch wenn die Masken der Rangers neutrale bis finstere Gesichtsausdrücke aufgemalt haben, wir strahlen über alle vier Backen und freuen uns wie Wildschweine in Scheiße.
Unsere Haltestelle kommt. Nun heißt es Endstation: Eskalation. Wir jumpen der Reihe nach aus der Bahn und landen in einer Art Kung-Fu-Pose auf dem Gehweg. Von den Gesichtsausdrücken der umherstehenden Menschen kann ich nicht viel erkennen, da die Maske die Sicht stark einschränkt aber ich höre eine Kombination aus Gelächter, Raunen und vereinzelten „POWWWAA-WÄÄNGAAAS“-Rufen. Fabolous meint es sei jetzt schon der beste Tag seines Lebens, denn links und rechts, hüben wie drüben nur jubelnde Meute und fröhliche Gesichter.
Wir fühlen uns wie George Clooney auf dem roten Teppich der Berlinale. Rockstar-Götter, auf die Erde geschickt, um Halloween zu retten. Hin und wieder hört man „Ihr seid die Helden meiner Kindheit“ oder eine Abwandlung von „[] … du bist mein Lieblings-Ranger“. Abertausende Fotos werden gemacht und wir führen mehrfach den „Tower of Love“ aus. Die Stimmung ist Champions-League-reif. Wir sind in the zone.
Vor der Klapsmühle ist ‘ne kleine Stärkung im Vapiano angesagt: Mangiare, Mangiare! Am Eingang stellt die Kassiererin den pinken Ranger in Frage. „Den gibt’s doch überhaupt nicht! Du kommst hier nicht rein!“, entfährt es ihr mit einem verschmitzten Lächeln. Viel mehr ein Anmachversuch als Diss, was Jerry allerdings irgendwie völlig kalt lässt. Er geht einfach zur anderen Kassiererin links. Mittlerweile ist Jerry mit seinem rosa Tutu der Lady-Star unter den Rangers. Immer wieder hört man „…aber der pinke ist der geilste“ oder „ich würde den Pinken nehmen“ etc. Klassischer Pfau-Effekt.
Im Vapiano selbst sind kaum Verkleidete aber der Laden ist picke-packe-voll. In dem Moment als wir den Laden betreten, hören ALLE Leute für einen kurzen Augenblick auf zu reden und zu essen, um diese surreale Erscheinung irgendwie begreifen zu können. Die Rangers gehen geschlossen direkt zur Toilette. Als wir vom Pinkeln zurückkommen, haben wir unsere Masken abgesetzt und es scheint so als würde das Interesse sofort verfliegen.
Ein Phänomen, das mir Karneval schon aufgefallen ist. Komplett vermummt symbolisieren wir die ungelebten Kindheitsträume der Beobachter. Wir sind viel mehr abstrakte Comic-Figuren als eigentliche Personen. Ziehen wir die Maske allerdings ab, sind wir gewöhnliche Dudes in Verkleidung. Zwar extrem gut aussehende Dudes, aber trotzdem nur Dudes.
Nach dem Vernichten von Pasta und Pizza geht’s nun endlich Richtung Klapsmühle. Auf dem Weg dahin das gleiche Szenario wie zuvor. Es werden mehr Fotos von uns gemacht als von Adriana Lima, während ihrer gesamten Laufbahn. Diverse Leute stoßen hinzu:
„Ich will auch Foto machen“
„Hier! Ich auch ein Foto!“
„Rangers! Fotooooo!“
Kurz vor der Klapse kommen asiatische Mädels auf uns zu. Die Augen funkeln als hätten sie gerade beobachtet wie Godzilla die Riesenmotte Mothra besiegt hat. Fabolous muntert die China-Mädchen auf, mit auf das Foto zu kommen. „Come in ze middle. Where ze place is“, spornt er sie an. Für die Mädels scheint ein Traum wahrgeworden zu sein. Final Fantasy. Das ist die Magie der Rangers. Es geht dabei nicht um uns, sondern darum, die Welt für einen Tag zu einem besseren Ort machen.
Eintritt: Klapse. The Show begins. Zugegeben, in meinem jetzigen euphorisierten Zustand ist es schwer neutrale Bewertungen für die Klapsmühle abzugeben. Meine Welt besteht gerade nur aus fliegenden Einhörnern, die Regenbögen aus Zuckerwatte fressen und Schmetterlinge auspupsen. Aber ich habe einen Job zu erfüllen, also los geht’s.
Location. Die Klapsmühle hat eine prima Lage zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz. Jede trübe Tasse würde den Weg dahin finden, egal ob mit Bahn, Taxi oder Auto. Ist man erst einmal drinnen, hat man die Wahl zwischen zwei Floors. Im Erdgeschoss wird Kölner Karnevals-Schlager gespielt, was zu einer direkten Disqualifikation führt. Wir holen uns erst einmal unsere Freigetränke ab – eine Art Cassis-Schnaps, könnte aber auch Punica sein vom Geschmack her. An der Theke werden wir, während wir auf den Schnaps warten, von einer gemischten Gruppe umlagert. Bedauerlicher Weise sehen die Frauen aus, als ob sie sich ein Leben lang nur von Kartoffelschalen ernährt hätten. Wir kippen den Sprit weg und machen uns wieder auf die Socken nach draußen.
Zwischenfazit: Die Location ist hervorragend. Das Klo ist geräumig und sauber. Die Getränkepreise und der Eintritt sind top. Das Publikum und die Musik lassen aber bislang noch zu wünschen übrig. Twilight-Zone: noch nicht abzuschätzen.
Draußen nimmt der Wahnsinn kein Ende. Umzingelt von Schaulustigen führen wir dieses Mal neben dem „Tower of Love“ auch die Formationen „Zelda“ und „Hecht“ aus. Eine Gruppe von Mädels – ihre Anführerin heißt Trixi – lädt uns auf eine Runde Kölsch ein als Gegenleistung für einige Schnappschüsse. Ein bisschen Chillen und Schnacken, dann geht’s weiter gen Klapse.
Schockierender Weise sind die Power Rangers nicht jedem ein Begriff. Ein junger Kerl kommt auf uns zu und fragt froh gestimmt: „EY! Seid ihr nicht die Supermans?“. Wer kennt sie nicht? Die sagenumwobenen SuperMANS. Scheiß auf die Avengers, die Supermans sind endlich da.
 
Zieh dich warm an Iron Man!

Ein anderes Mädel versichert uns, dass sie „alle Superhelden von MARVEL“ gut findet. Na  dann, Prost Mahlzeit!
Klapse Part 2.
Dieses Mal begeben wir uns direkt in den Keller der Klapsmühle. Hier wird ein fröhlicher Mix aus Charts und House gespielt. Die Stimmung schießt sofort an die Decke.
Plötzlich kommt es mitten auf dem Dancefloor zu einer Rangelei zwischen zwei Weibern, welche um unsere Aufmerksamkeit balzen. Dann geht's Schlag auf Schlag. Die eine zieht an den brauen Krauselocken der anderen. Diese erwidert das indem sie der anderen ihren Batida-Kirsch ins Gesicht kippt und sie aussehen lässt, als hätte sie gerade einen Bukkake hinter sich. Völlig schockiert kippt Bukkake-Face der anderen ebenfalls ihren Prosecco über die Birne. Es war klar, dass als nächstes Cat-Fight angesagt war. Nicht mit den Rangers! Long-Dong, D-Dave und ich stellen uns einfach dazwischen und entschärfen diese Bitch-Fight-Bombe. Niemand widersetzt sich einem Ranger. Wieder eine gute Tat mehr und wir beglückwünschen uns ob der guten Leistung.
Inzwischen haben D-Dave und Fabolous zwei relativ süße Mädels kennengelernt. Long-Dong, Jerry und ich stehen derweil draußen vorm Club mit einer anderen rauchenden Maus, die versichert eine Roma zu sein. Long-Dong und Roma necken sich, weil beide aus verschiedenen Kölner Gegenden kommen. Battles, die nur Kölner nachvollziehen können. Es scheint als seien alle Kölner stolz auf ihre Heimat aber nur solange es nicht zu nah an Leverkusen grenzt, es links-seitig vom Rhein ist, keine Schicki-Micki-Gegend ist und so weiter. Wie dem auch sei, ich mache mit Roma drinnen einige Selfies, die erstaunlicher Weise nur zur Hälfte kacke sind.

Danach geht’s wieder in den Keller, um die Twilight-Zone nicht zu verpassen. Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass die Twilight-Zone in der Klapse sich von anderen Clubs unterscheidet. Hier sind die Leute im Schnitt wesentlich betrunkener. Ergo wird die Grundstimmung Richtung Feierabend immer aggressiver. Während in anderen Clubs die T-Zone nur aus Liebe besteht, muss man in der Klapse immer behutsam sein. Sonst endet man mit einem Batida-Kirsch im Gesicht, oder einem Ellenbogen im Kiefer. Erwähnenswert ist, dass wann immer ich in der Klapse war, es IMMER Schlägereien und Bitch-Fights gab. Aber wenn man Angst vor dem Ring hat, sollte man nicht hinein gehen, oder? Dieses Mal läuft alles hervorragend. Wir schwelgen weiterhin in Ekstase, drehen uns in unserem eigenen Saft. Auf uns scheint die warme Sonne des Frohsinns. Wir kosten die Twilight-Zone aus, denn was soll danach noch kommen? Wir haben am Nippel des Ruhmes gelutscht und alles andere wirkt dagegen wie ein Nachmittag im Büro.

Dieses Mal verabschieden wir uns schon um ca. 4 Uhr, ganz zum Unmut von Fabolous, der sichtlich gerne noch etwas länger bei seinem Madl geblieben wäre.
Long-Dong muss seine Bahn kriegen und wir beschließen ihn dorthin zu begleiten. „Wir müssen zum Hansaring“, heißt es. Long-Dong versichert uns, dass es nur ein Katzensprung ist, wir aber Gas geben müssen. Also spurten wir los. Fünf besoffene Rangers, in Reih und Glied. Richtung zu Hause.

Nachtrag von Fabolous:
Im Nachgang sei gesagt, der Fame, den ein Power-Ranger verursacht, ist im ersten Moment erschreckend, Überforderung setzt ein. Es kann dich lähmen und brechen, oder aber einen anderen Menschen aus dir machen. Fakt ist, du bist danach nicht mehr dieselbe Person. Umso schwieriger fiel es, als am nächsten Tag in zivil niemand mehr durchdrehte und Fotos machen wollte. Willkommen zurück in der Realität. Aber seid euch über eines gewiss Freunde, die nächste Party kommt und die Ranger sind immer bereit. Wir sind nicht weg, wir holen nur Anlauf!